USER EXPERIENCE LEKTIONEN 2020
Auf was es dem Nutzer im Fahrzeug wirklich ankommt
In einem Testsetting ermittelten wir die Laufzeiten von Signalen zwischen App und Fahrzeug und wieder zurück zur App. Nach einigen Versuchen war das Vertrauten in den untersuchten Dienst, welcher ein Öffnen und Schließen des Fahrzeugs per App ermöglicht, groß genug, sodass der echte Schlüssel dauerhaft im Auto verblieb. Genau dann jedoch versagte der Dienst, das Fahrzeug verweigerte jeden Befehl der App, und einer unserer Experten musste am Ende durch das glücklicherweise offene Schiebedach klettern, um das Fahrzeug von innen wieder zu öffnen.
Die Möglichkeiten, die ein an das Internet angebundenes Fahrzeug eröffnet, denkt man zum Beispiel an schlüsselloses Carsharing in der Familie, können das Leben erheblich erleichtern. Doch wie immer gilt: Die Dienste müssen zuverlässig funktionieren und für den Nutzer leicht verständlich sein.
Lektion #4 – Fahrzeug-Apps, die inzwischen jeder Hersteller bereitstellt, damit Nutzer unter anderem verschiedene Fahrzeugfunktionen auslösen können, sind eine feine Sache. Damit diese Funktionen verwendet werden und Spaß machen, bedarf es vor allem Zuverlässigkeit und einer guten Performance.
In einem ausgesuchten Testfall zur Sprachsteuerung im Fahrzeug durchlebten unsere Probanden verschiedene Anwendungsfälle, um Kofferraum und Schiebedach zu öffnen. Nicht nur unsere Probanden, sondern auch wir waren verwundert, als die Aufforderung „Öffne den Kofferraum“ regelmäßig und ohne Fehlermeldung mit der Suche nach „Kaffee & Tee” im Navigationssystem quittiert wurde.
Zweifelsohne gewährt die Sprachsteuerung im Fahrzeug einfachen Zugriff auf Fahrzeugfunktionalitäten, wenn sie reibungslos funktioniert. Ein fehlerhaftes Ausführen von gewünschten Sprachbefehlen führt bei Fahrenden hingegen zu erhöhter Ablenkung und nicht zu der erhofften Entlastung.
Lektion #5 – Sprachsteuerung existiert heute an vielen Stellen im privaten sowie im geschäftlichen Umfeld. Im Fahrzeug liegt der Qualitätsanspruch dabei mindestens genauso hoch wie bei der Bedienung von Smartphones oder intelligenten Lautsprechern. Die Bedienung muss einfach und intuitiv funktionieren, damit die Aufmerksamkeit des Fahrenden auf die Straße gerichtet bleibt.
Bevor der eigentliche Test begann, stiegen unsere Probanden jeweils in das Fahrzeug, um sich auf den Fahrersitz zu setzen. Bereits hier ergab sich jedoch ein Problem, als ein Proband nicht erkennen konnte, wie sich die Tür öffnen lässt. Es fehlte bei diesem neuen Fahrzeugmodell schlicht die Griffmulde – der eingelassene Griff wird auf eine neuartige Weise über Kippen betätigt. Erst nach expliziter Erklärung und einem deutlichen Aha-Effekt konnte die Tür endlich geöffnet werden.
Wenn Nutzer nicht sofort wissen, wie ein Produkt verwendet wird, haben sie oft ein anderes mentales Modell dazu gebildet. Um solche Bedienungsprobleme besser zu verstehen, ist es für Entwickler hilfreich, diese bestehenden Modelle zu kennen.
Lektion #6 – Menschen arbeiten mit mentalen Modellen, das heißt, sie erkennen Prozesse und Interaktionen nach gewohnten Mustern. Wird bewusst mit diesen bekannten oder erlernten Mustern gebrochen, beispielsweise aus Designgründen, müssen möglichst visuell und verbal zielgerichtete Hilfestellungen angeboten werden.
FAZIT
Unsere Erlebnisse verdeutlichen immer wieder aufs Neue, welche bedeutenden Erkenntnisse Nutzerzentrierung bei der Konzeption und beim Testen von Lösungen liefert. Essenziell für die gesamte Arbeit ist dabei die initiale Analyse der angestrebten Zielgruppe: Welche Menschen werden später das Produkt benutzen? Was sind ihre Bedürfnisse? Was ist ihre Motivation? Was sind ihre Vorkenntnisse und welche Gedanken und Gefühle beschäftigen sie? Dieses Wissen über den Nutzer dient dazu, begründete Designentscheidungen zu treffen und die gewünschten Bedürfnisse erfüllen.
Nutzerwissen ist darüber hinaus für die Wahl der Probanden unserer zahlreichen Tests und Benchmarks erforderlich. Nur mit Menschen, die das Produkt später nutzen würden, können wir sinnvolle Ergebnisse generieren und am Ende unserem Ziel näherkommen, Produkte zu gestalten, die dem Nutzer ein besseres Erlebnis verschaffen.