Mit Don Reinertsen zum Flow: Das Warten hat ein Ende – Warteschlangen im Management
Und wenn Sie noch nichts geändert haben, dann warten Sie noch immer…
Wer kennt es nicht, wir machen einen kurzen Abstecher in den Supermarkt, um noch ein, zwei Zutaten für das Gericht zu holen, dass wir heute Abend für unsere Liebsten zubereiten wollen. Die Zutaten sind schnell geschnappt und dann entdecken wir die lange Schlange an der Kasse. Die Aufgabe, die so schnell hätte erledigt sein können, fängt an zu dauern. Der Grund: Die Wartezeiten. An der Kasse werden wir nervös: „Um 20 Uhr sind wir doch schon verabredet.“ Unser ausgefeilter und so heiliger Zeitplan gerät durcheinander. Jeder Schritt war geplant und wir waren „optimal“ ausgelastet, doch jetzt kommt diese Verzögerung dazwischen.
Warteschlangen und Verzögerungen finden wir leider nicht nur beim Einkaufen, gerade unsere Arbeitswelt ist voll damit. Hier sind die Konsequenzen nicht nur, dass unsere Kunden bzw. Gäste auf ihr „Essen“ warten müssen, wir entgehen in dieser Verzögerungszeit Gewinne und verpassen vielleicht darüber hinaus noch ein wichtiges Marktfenster.
Zurück an der Kasse geht es nur langsam voran. Die Kassiererin ist vollkommen ausgelastet. Uns bieten sich nun zwei Optionen: A) Wir verschieben unser Dinner/Release nach hinten und verpassen wertvolle Zeit mit unseren Freunden bzw. auf dem Markt. Oder B) wir beeilen uns mit dem Kochen, also verschieben die Fehlerbeseitigung bis das Produkt am Markt ist, mit dem Risiko unsere Gäste oder Kunden mit einer schlechteren Qualität des Produktes zu vergraulen.
Im Klartext zusammengefasst, kosten Verzögerungen den Unternehmen Geld. Sie führen zu
- erhöhtem Risiko durch veränderte Markt- und Kundensituationen
- verspätetem Feedback und dadurch erhöhte Kosten für überflüssigen Entwicklungen und verminderter Qualität
erhöhten Prozesskosten - und abnehmender Motivation bei den Entwicklungsteams.
Wie verhindern wir also Verzögerungen? Verzögerungen werden verursacht durch Wartezeiten. Welche Wartezeiten mögen wir nun denken? Wir füllen Wartezeiten doch sofort mit neuen Aktivitäten. Wir haben doch keine Zeit zu verlieren. Genau hier liegt der Kern der Sache: wir betrachten den einzelnen Arbeitnehmer oder das einzelne Team und dessen Auslastung. Was wir dabei übersehen ist die Arbeit, die von einem Team oder Service zum anderen weitergereicht wird. Vor diesen ausgelasteten Services entstehen Warteschlangen, welche die Erfüllung der Gesamtaufgabe verzögern. Unser Einkauf veranschaulicht uns das: Wenn der Service unserer Kassiererin nicht mehr nachkommt mit Kassieren, bildet sich eine Schlange. Wenn wir erst an der Wursttheke, dann an der Brottheke und dann noch einmal an der Kasse in der Schlange stehen müssten, würden wir wohl erst nächste Woche unser Dinner geben können.
Es gilt also unsere Warteschlangen innerhalb des Systems, die Hauptverursacher für Verzögerungen, zu managen. Dafür ist es notwendig zu verstehen, dass die Länge von Warteschlangen massiv mit der Auslastung steigt. Die intuitive Annahme, dass eine hohe Auslastung zu schneller Abarbeitung führt, ist verkehrt. Das Gegenteil ist der Fall. Außerdem: Warteschlangen entstehen schneller als sie sich wieder abbauen. Ein Stau auf der Autobahn bildet sich nahe zu sofort. Das Auflösen dessen dauert jedoch. Unser Ziel ist es demnach die Auslastung der Services zu optimieren und die Durchlaufzeit der Aufgaben zu minimieren. Das passiert im Supermarkt, wenn zusätzliche Kassen geöffnet oder eine Schnellkasse, für kleinere Einkäufe, angeboten werden. Ordnen wir nämlich kurze Aufträge vor langen Aufträgen baut sich die Warteschlange wieder ab, weil kurze Aufträge den Service weniger lang blockieren.
Eine weitere Möglichkeit, Wartezeiten zu reduzieren, ist die Verwendung von geringen Stapelgrößen (Batch Size). Damit ist die Anzahl von zusammengehörigen Arbeitseinheiten gemeint, also z.B. die Tasks in einem Sprint. Diese kleineren Arbeitspakete sorgen dafür, dass die Arbeit gleichmäßiger verteilt beim Service ankommt und es zu keinen plötzlichen Auslastungen und damit Verzögerungen kommt. Stapelgrößen und die Länge von Warteschlangen können mithilfe von Work In Progress (WIP) Limits begrenzt werden. Die WIP ist die Anzahl der Arbeitseinheiten, die noch nicht fertiggestellt sind. Damit lässt sich eine zu hohe Auslastung und damit die Wahrscheinlichkeit von Warteschlangen verhindern, indem die Annahme von weiteren Aufträgen verweigert wird, wenn das WIP-Limit erreicht ist.
In erster Linie ist der Unternehmung schon damit geholfen, bewusst zu werden über all die verdeckten Warteschlangen. Sobald diese Warteschlangen sichtbar geworden sind, werden sie greif- und veränderbar. Doch wie immer: Es ist nichts gut, solange es nicht getan ist. Also werden Sie aktiv, denn: Wenn Sie noch nichts geändert haben, dann warten Sie wahrscheinlich noch immer.